Der Weg der Blutsauger in die Neue Welt

Wenn die Nacht New York City verschlingt und die Lichter der Wolkenkratzer wie Sterne am Erdboden funkeln, erwachen in dieser Stadt Wesen, die so alt sind wie die Dunkelheit selbst. Doch unter all den Monstern der Zwischenwelt, die sich im nächtlichen Big Apple tummeln, sind die Vampire die mächtigsten, aber vermutlich auch die schillerndsten.

Die Geschichte der Vampire, die aus den alten Ländern Europas aufbrachen, um in der Neuen Welt Fuß zu fassen, ist ein mystisches und aufregendes Kapitel, das von Machtstreben, Flucht und Anpassung erzählt. Diese nächtlichen Jäger bahnten sich ihren Weg über den Atlantik, angezogen von der Unendlichkeit der Möglichkeiten, die das aufstrebende Amerika bot.

 

In Europa waren die Blutsauger tief in der Folklore verwurzelt. Die Karpaten in Rumänien, die Wälder und Schlösser Transsylvaniens, waren die Heimat der wohl bekanntesten Vampire. Zu ihnen gehörte Vlad, der Pfähler, eine historische Figur, die Bram Stoker zu seinem Roman „Dracula“ inspiriert hatte. Diese vielleicht berühmteste aller Vampirgeschichten war jedoch doch nur eine von vielen. Alle sprachen von unsterblichen Wesen, die von einem unstillbaren Blutdurst getrieben wurden und ein Leben jenseits des Todes führten.

In den mittelalterlichen Städten Italiens und Frankreichs wurde ebenfalls von vampirischen Kreaturen gemunkelt – hier jedoch hatten die Blutsauger einen besonderen Hang zur Dekadenz und zu Machtspielen innerhalb des Adels. Exemplarisch dafür ist die Geschichte der Familie Montana.

Die Ursprünge der Montana-Familie lassen sich bis ins Jahr 1542 zurückverfolgen, als der Familienpatriarch, Claudio Montana, in Sizilien das Licht der Welt erblickte. Claudio war ein mächtiger Adliger und hatte bereits zu seinen Lebzeiten einflussreiche Verbindungen zur Unterwelt. Bei einem dunklen Ritual wurde er in einen Vampir verwandelt, was ihm und seiner Familie enorme Macht verlieh.

Mit dem Beginn der industriellen Revolution und den großen Auswanderungswellen im 19. Jahrhundert sahen viele Vampire, unter ihnen auch die Montanas, in Amerika ein unberührtes Land voller Möglichkeiten zur Neukonzeption ihrer Domänen. Die Reise über den Atlantik war nicht ohne Risiken, aber die Belohnung – ein frisches Terrain voller Leben und Blut – überwog die Gefahren. Die Anonymität, wie New York sie bot, war zusätzlich verlockend.

Die großen Städte an der Ostküste zogen eine Vielzahl von Kulturen an. Diese Vielfalt erlaubte es den Vampiren, sich unbemerkt unter die verschiedenen Gemeinschaften zu mischen. In der Flut der Waren, die aus der alten in die neue Welt verschifft wurden, kamen so auch die Särge mit den Blutsaugern in den amerikanischen Häfen an Land.

Einmal in New York und den anderen Metropolen gelandet, begannen die Vampire, ihre Netzwerke zu etablieren. Sie nahmen Einfluss auf die neu entstandenen Industrien, finanzierten Kunst und Kultur und erlangten so Macht innerhalb der aufkommenden Eliten. 

Diese Vorgehensweise sicherte ihnen nicht nur Schutz, sondern auch Nahrung und Wohlstand. Sie errichteten geheime Treffpunkte in den finsteren Kellern der Stadt und organisierten dort ein System ununterbrochener, gegenseitiger Unterstützung – das Erfolgsgeheimnis aller hermetischen Gesellschaften. 

Was den Vampiren dabei besonders zugutekam, war ihre Fähigkeit, sich in rasender Geschwindigkeit dem Lebensrhythmus einer sich verändernden Welt, und damit den Menschen, anzupassen. Moderne Vampire fürchten das Sonnenlicht nicht mehr und mit Knoblauch und geweihten Kreuzen kann man bei ihnen bestenfalls noch einen Lachanfall auslösen. Was aber immer noch funktioniert, sind Silberkugeln und ein Holzpfahl direkt durchs Herz.

Die Montanas waren bei weitem nicht die einzigen, die in New York City eine blühende Gemeinschaft schufen. Allerdings hatte sich dieser Clan aus Sizilien ein besonders illustres Umfeld für seine Aktivitäten ausgesucht – die Welt der Mafiosi.

Im Laufe der Jahre wurden die verschiedenen Vampirfamilien zu den unsichtbaren Architekten der dunklen Seite des nächtlichen Lebens in New York. Von den verborgenen Jazzclubs in der Zeit der Prohibition bis hin zur Opioid-Krise in der modernen Clubszene: Immer zogen auch Blutsauger die Fäden.

Heute sind sie Teil des Mysteriums, das New York zu einem der faszinierendsten Orte der Welt macht. Während sich die Stadt in Richtung Zukunft bewegt, bleibt der Einfluss der Vampirgesellschaft ein unauslöschlicher Teil ihrer Geschichte, unsichtbar und doch immer präsent in den Schatten, die Manhattan jede Nacht aufs Neue umhüllen. Diese Wesen, aus den alten Ländern entsprungen und in der modernen Welt verwurzelt, erinnern uns daran, dass die Dunkelheit, obwohl verborgen, auch immer ein Teil von uns selbst bleibt.

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